Immer wieder fällt mir auf, wie vielseitig, bunt und zum Teil sogar gegensätzlich FLRs im Alltag tatächlich gelebt werden. Und da das etwas wundervolles und bereicherndes ist, dass dem so ist, habe ich mich dazu entschlossen, so viele FLR Paare zu interviewen, wie sich mir nur anvertrauen möchten.
Starten werde ich diese – hoffentlich noch äußerst langlebige – Interviewreihe hier und heute, mit einem wundervollen Paar, Claudia und subbi, die über den Joyclub und unsere FLR Gruppe dort auf meinen Blog gefunden haben.
Viel Spaß also mit diesem sehr persönlichen und offenen Einblick in eine ganz besondere, einzigartige und vor allem weiblich geführte Beziehung.
1. Wie habt ihr euch kennengelernt – und war euch da schon klar, dass ihr gerne eine FLR leben möchtet?
C. wir sind seit 38 Jahren ein Paar. Zu dem Zeitpunkt wusste ich nichts von BDSM oder so. Verliebt habe ich mich in einen 1,95 großen Kerl mit Schnäuzer, der gekribbelt hat beim Küssen.
s.: Lange her und doch erinnere ich mich gut. Da war diese wunderbare, junge Frau. Ich fühlte, sie mag mich berühren und ich begehrte sie so sehr. Dann dieser Kuss, in dem Moment war ich nur verliebt, im siebten Himmel. Keine Gedanken an das Morgen, es war magisch.
2. Wart ihr beide von Anfang an gleichermaßen interessiert am Thema „weibliche Führung“, oder gab (bzw gibt) es dahingehend ein Ungleichgewicht?
C: Naja, eigentlich hätte ich erwartet, dass er aktiv um mich wirbt. Aber ich musste ihn auffordern, um mich zu werben, er hat sogar noch nicht mal um meine Hand angehalten. Er hat aber nach 36 Jahren das Thema FLR ins Spiel gebracht. Das musste ich mir aber sehr gut überlegen, weil ich wusste, dass es für mich dann kein Zurück mehr gibt.
s.: Seit meiner Kindheit, bereits vor meinem sexuellen Erwachen, wusste ich, dass mit mir „etwas nicht stimmt“. Schwierig, ich wusste nichts von FLR. Du bist gesegnet mit diesem riesigen, athletischen, männlichen Körper und sehnst dich nach völlig anderem. Irgendwann, sehr spät hatte ich den Mut, der Liebe meines Lebens alles zu sagen. Zu meiner größten Überraschung sagte sie ja. Und „Gut, es könnte mir gefallen. Nur dann wird es kein zurück mehr geben. Überleg es dir gut!“
3. Was sind die tragenden Säulen eurer FLR?
C.: 1.: Wir können nicht mehr streiten.
2.: Er berät mich extrem gut
3.: Ich bestimme alles
s.: Dass sie glücklich ist. Ich weiß, ich habe die Gabe, ihr unfassbares Glück zu schenken. Alles andere bestimmt sie.
4. Worin seht ihr – für euch ganz persönlich – die größten Vorteile einer solchen Beziehung? Und worin liegen für euch da eher die Schwierigkeiten?
C.: Wir streiten nicht mehr. Er berät mich super!
s. Wir sind total verliebt, also Schmetterlinge im Bauch. Wir machen unfassbar verrückte Sachen. Also völlig verrückt, können auf Festivals, Kinky Partys oder einfach nur weil wir es wollen, der Realität entfliehen. Sie liebt mich wieder so sehr, sagt es mir jeden Tag. Und ich bin immer für sie da.
5. Beinhaltet eure Partnerschaft auch BDSM und Kinkelemente? Und falls ja: wäre sie auch ohne denkbar?
C.: Soll das ein Scherz sein?
s. Unfassbar, was sie so alles mit mir macht! Ich erinnere mich, wir waren keine zwanzig Jahre alt. Sie greift fest zu, spürt meine Reaktion, lächelt vergnügt und sagt. “Uh, du bist masochist” und greift nochmal zu, diesmal bohrt sie aber ihre Fingernägel in mein bestes Stück.
6. Was denkt ihr, wie euer Umfeld eure Beziehung wahrnimmt? Habt ihr soziale Kontakte, die ähnlich leben?
C: Naja, in unserem Düsseldorfer Speckgürtel wäre ich doch sehr gespannt. Aber will ich das überhaupt wissen?
s.: Wir wirken wahrscheinlich etwas speziell. Sehen ja auch schon anders aus. Ist mir inzwischen aber recht egal. Ob andere unseren Lifestyle erkennen und darüber sprechen, urteilen? Ich denke schon.
7. Habt ihr das Gefühl, dass Männer und Frauen prinzipiell von der selben Sache reden, wenn sie den Begriff „FLR“ nutzen?
C.: Wir haben bei unseren Clubbesuchen sehr oft leider feststellen müssen, dass es viele male-subs gibt, die nur ihre Wünsche erfüllt haben wollen. Wir nennen das dann gerne „topping from the bottom“. Ich finde das absolut schrecklich!
s.: Nein, viele Männer scheinen da eine Fantasie leben zu wollen, von einer unendlichen 24/7 Session, mit einem riesigen Wunschzettel ausgestattet. Auch ich musste gerade zu Anfang noch viel lernen.
8. Findet ihr, dass alternative Beziehungsmodelle in unserer Gesellschaft inzwischen ausreichend toleriert und akzeptiert werden? Würdet ihr da gerne etwas ändern?
C.: Leider ist unsere Beziehungsform nicht in der Gesellschaft akzeptiert und das finde ich sehr sehr schade.
s.: Das ist sie überhaupt nicht, in konservativen Kreisen ohnehin nicht. Ich arbeite aber auch mit vielen jungen Menschen zusammen, auch bei denen ist überraschend oft nicht akzeptiert, wenn Menschen vom Standard abweichen.
9. Könnt ihr euch an den Moment erinnern, zu welchem ihr zum ersten Mal von FLR erfahren habt? Wie war das bei euch?
C.: Das war im Sommer 2022, in dem subbi mir diese Beziehungsform erklärt hat und gefragt hat, ob wir diese annehmen könnten.
s.: Ja, unsere Beziehung wurde während der Pandemie besser. Ich habe zudem viele psychologische Podcasts gehört. Ich stellte mir dann die Frage, „Was willst du wirklich?“. Die Antwort war die Liebe meiner Frau, ihr meine Liebe zu schenken. Da unsere einstige Liebesbeziehung beendet war, musste alles neu aufgebaut werden. Irgendwann, durch Zufall, stieß ich auf den Podcast von Krystin Kellogs, die von ihrer FLR Beziehung mit ihrem Mann berichtete. Mir war schnell klar, dass dies Claudia und auch mich glücklich machen könnte.
10. Wenn ihr einem neutralen Menschen, der absolut nichts mit dem Thema FLR zu tun hat, erklären müsstet, um was es geht: Wie würdet ihr das machen?
C.: Ich habe versucht, es meiner besten Freundin zu erklären. Sie hat es leider nicht verstanden und darauf reduziert, dass subbi im Beruf dominant ist und sich zu Hause entspannen will. Das ist aber totaler Nonsens.
s.: Wir sind glücklich, feiern, reisen viel. Lernen viele interessante Menschen kennen. Wir kämpfen niemals miteinander, so wie viele Paare dies machen, sondern sie entscheidet, während ich sie berate, meine Meinung ist ihr wichtig. Ich versuche zu antizipieren, was sie glücklich macht oder sie sagt mir einfach ziemlich klar, was sie möchte. Und sie hat mir geholfen mich zu entwickeln. Wir sind glücklich, ja und wenn sie mag haben wir unfassbaren kinky Spaß gemeinsam.
11. Was würdet ihr jemandem raten, der ebenfalls eine FLR anstrebt, aber nicht weiß, wie man das anstellt? Was wäre euer bester Tipp?
C.: Reden, reden und nochmals reden!
s.: Reden, reden und nochmals reden. Für die Männer: kein Druck, die Frau muss diese Beziehung völlig frei gestalten. Kopfkino aus. Wir haben am Ende unsere Regeln aufgestellt, so ähnlich wie ein Vertrag, das hat auch geholfen.
12. Seht ihr -wieder für euch persönlich – Grenzen, die eine FLR nicht überschreiten darf?
C.: Die Grenzen haben wir schon festgelegt… bei einer Notsituation (bisher nur als ich im Krankenhaus war) sind wir gleichberechtigt.
s.: Ich vertraue ihr da völlig. Fühle mich sicher bei ihr.
13. Wenn ihr einen Wunsch frei hättet, mit der einzigen Vorgabe, dass dieser Wunsch im Zusammenhang mit eurer Partnerschaft steht: Was würdet ihr euch wünschen?
C.: Meine Wünsche werden alle vollständig von ihm erfüllt. Ne Freundin + wäre perfekt, aber diese Konstellation scheint schon sehr schwierig zu sein. Bisexuelle Fem Doms gibt es wohl nicht so viele.
s.: Es geht um ihre Wünsche, nicht um meine. Meiner ist ja schon erfüllt, ich darf ihr subbi sein und sie lässt mich jeden Tag spüren wie sehr sie mich liebt. Auch wenn manchmal schmerzhaft.
Ich danke euch beiden ganz herzlich für die Zeit, die ihr euch für mich und meine Fragen genommen habt!

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