Was, wenn es mal zu viel war?


Ich freue mich immer sehr, wenn ich bemerke, dass das was wir hier schreiben, andere bewegt und dazu anregt, mit uns in Interaktion zu treten, weswegen ich mir nun gerne die Zeit nehme, mich mit folgender Leserfrage auseinanderzusetzen, die uns per Kommentar erreichte:

„…Aktuell bewegt mich (auch aufgrund von Gesprächen mit meiner Madame und anderen subs), wie Ihr Eigentum und mittelbar natürlich auch Sie damit umgehen, wenn es wirklich zu einem tiefgreifenden Konflikt führt, was Sie von ihm verlangen oder ihm verbieten. Dabei geht es mir nicht um schnelle Antworten wie „das passiert nicht“, „ich klär das mit mir“ oder „ich spreche es an“. Was mich dabei dahinter interessiert, ist, einen Einblick zu bekommen, wie der innere (oder auch äußere) Kampf / das Auseinander- und wieder Zusammensetzen abläuft, was es mit der Haltung zu tun hat, was es mit dem Metakonsens auf sich hat usw.
Viele Grüße
Madame’s sklave severin“

Eine spannende Fragestellung, lieber Severin, die ich dir nun erstmal rein aus meiner Sicht beantworten möchte. Das Eigentum hat natürlich seine ganz eigenen Gedanken und Erfahrungen mit dem Thema und wird bei Gelegenheit ebenfalls noch etwas dazu beitragen.

Wie gehe ich damit um, wenn ich etwas vom Eigentum verlange, das ihm so richtig gegen den Strich geht? Das ihn überfordert, an seine Grenzen, oder gar zum Abbruch oder dem Ausstieg aus der Situation bringt?
Ich denke, ich kann guten Gewissens behaupten, dass diese Situation bei uns bisher erfreulich selten eintrat. Im Alltag meines Wissens nach sogar noch nie, wenn man mal ein zwei (eher politisch-philosophische) Diskussionen im Laufe der Beziehungsbildung außer Acht lässt.

Meine Regeln und Verbote sind klar und strukturiert, manchmal natürlich auch einschränkend für ihn, strapazieren seine persönlichen Wohlfühlgrenzen aber nicht über das Maß des gut erträglichen hinaus. Tatsächlich bin ich mir sicher, dass er sich insgesamt eine noch viel härtere Gangart ersehnen würde, weil er dahingehend ein nimmersattes, gieriges Stück sein kann. Aber Geduld ist ja bekanntlich eine Tugend – und ich entscheide, was hier wann und wie passiert.
Im direkten, erotischen BDSM Kontext hingegen, kommt es durchaus schon hin und wieder vor, dass ich das Eigentum aktiv überfordere, so dass er blockiert und nicht mehr weiter kann. Das ist für uns beide natürlich keine schöne Situation, aber wir haben bisher immer wieder einen guten Weg daraus hinaus und zurück ins Spiel gefunden.
Für ihn liegt die Schwierigkeit offenbar dann darin, weder vor noch zurück zu können. Also nicht das „leisten“ zu können, was ich von ihm möchte und gleichzeitig Angst zu haben, mich zu enttäuschen.
Sobald ich bemerke, dass er in diesen Überforderungszustand hineinzugeraten droht, versuche ich, ihn da ganz gezielt und direkt zu erwischen und – je nach Lage – kurzzeitig aus der Situation heraus- und wieder hineinzuführen, oder zumindest zu erreichen, dass er so weit runterkommt, dass er mich wieder wahrnehmen und meine Führung annehmen kann.

Bisher hat das insgesamt recht gut funktioniert und es kam nur ein einziges Mal zu einem nachträglichen Konflikt, inklusive „Zusammenbruch“ seinerseits und dem kompletten Infragestellen unseres Konstrukts.
Diesen konnten wir zum Glück durch Zuwendung, beidseitige emotionaler Nachsorge und viel gemeinsamer Kommunikation letztendlich positiv abschließen.
Ganz klar ist natürlich, dass wenn es so weit kommt, nicht nur mein Partner ein „Problem“ hat, sondern wir beide gerade an einem schwierigen Punkt angekommen sind. Und ich somit genauso auf seine Unterstützung und Offenheit angewiesen bin, wie er auf meine. Nur einseitig würde das nicht funktionieren.
Die Idee, Dom übt bei Grenzerreichung oder gar -überschreitung einfach so lange konsequenten Druck auf Sub aus, bis der wieder funktioniert, ist in meinen Augen vollkommenen sinnfrei und absolut nicht zielführend. Auch, wenn mir bewusst ist, dass der Wunsch nach derartigen „Lösungen“ in BDSM Beziehungen recht weit verbreitet sein dürfte.

Selbstverständlich sind die inneren Kämpfe, die in diesen Zusammenhängen auftreten können, bei mir sehr andere, wenn nicht gar konträre, zu denen die im Eigentum ablaufen.
Meine sehen so aus, dass ich mir am Anfang erst einmal selbst vollkommen klar darüber werden muss, was ich von ihm verlangen möchte. Und warum. Und ob ich das dann auch tatsächlich so umsetzen und durchziehen kann und werde. Kommen wir dann an einem Punkt, an welchem ich sehe und spüre, dass das Eigentum für und durch mich leidet, wird es spannend. Und manchmal durchaus auch schwierig für mich.
Da ich ihn liebe, möchte ich, dass es ihm gut geht. Und nicht alle meine Instinkte können zu jedem Zeitpunkt akzeptieren, dass es ihm eben auch (und insbesondere) dann gut geht, wenn er auf gewisse Weise leidet. Das kann schon mal zu Hirnknoten führen!
Ich selbst habe übrigens keinerlei masochistische oder submissive Züge in mir, was es mir eventuell erschwert, die andere Seite so voll und ganz zu begreifen und mich da hineinzufühlen.
Dies kann dazu führen, dass ich in gewissen Situationen mehrere innere Konflikte gleichzeitig austrage – und zusätzlich noch äußere, mit ihm und seinem Widerstand.
Allerdings hilft es mir immer, mir bewusst zu machen, dass wir all dies tun, weil wir es beide so wollen und es uns genau so wünschen.

Und was hat das alles mit dem Metakonsens zu tun?
Nun, das Eigentum hat mir die nahezu vollkommene Verfügungsgewalt über ihn zugesprochen, mit sehr wenigen Einschränkungen, die mich kaum tangieren. Er ist also offenbar der Meinung, dass das, was ich über ihn entscheide, wohl schon so seine Richtigkeit haben wird. Auch, wenn ihm diese Entscheidungen mal gegen den Strich gehen.
Er kommuniziert mir immer wieder sehr deutlich, wie er es genießt, sich innerhalb der von mir gesteckten Regeln und Forderungen zu bewegen, insbesondere, wenn er diese als wirklich direkte und massive Einschränkungen empfindet.
Immer wieder, wenn es dazu kommt, dass ich sein „Nein“ ignoriere, oder seine Brattigkeit strenger sanktioniere, vermittelt er mir recht zeitnah, wie sehr er genau das so möchte und braucht.
Für mich selbst endet der Metakonsens knallhart genau da, wo ich das Gefühl habe, ich könne dem Eigentum tatsächlich auf irgendeiner Ebene, sei es psychisch, physisch oder seelisch Schaden zufügen.

Antworten

  1. Avatar von Severin von Madame

    Ich bin zutiefst dankbar für Ihre ehrliche, offene und ausführliche Antwort, verehrte Commandress.
    Es gibt mir einen noch tieferen Einblick in die innige und achtsame Verbindung zwischen Ihnen und Ihrem Eigentum. Wunderschön, wie Sie Ihre Reaktion auf ein mögliches „Erstarren“ des Eigentums beschreiben.
    Ich wünsche Ihnen, dass Sie weiterhin in diesem gemeinsamen Raum interagieren können und bin gespannt, wie Ihr Eigentum gerade die von Ihnen erwähnte (oder ähnliche) Überforderungssituation beschreiben wird.
    Demütige Grüße
    Madame’s sklave severin

    Gefällt 1 Person

  2. Avatar von Lieber Severin… – Die Commandress und ihr Eigentum

    […] Deine Frage war ja, wie der Umgang mit Konflikten stattfindet.Das zu beantworten ist gar nicht mal so einfach. Ich bin ein Mensch, dem eine offene Kommunikation eher schwerfällt, es dauert, bis ich Themen bespreche oder anspreche. Mit der Commandress habe den Menschen an meiner Seite gefunden, mit welchem ich das aber auch gar nicht immer muss, sondern sie merkt es schnell mit Ihrem siebten Sinn, wenn mit mir etwas nicht stimmt. […]

    Like

Hinterlasse eine Antwort zu Lieber Severin… – Die Commandress und ihr Eigentum Antwort abbrechen