Heute werde ich etwas schreiben, von dem ich mir gewünscht hätte, jemand anderes hätte es geschrieben. Und ich hätte es rechtzeitig gelesen.
Es ist mir nämlich nun schon ein paar Mal passiert, dass ich nach einer besonders intensiven und intimen Session, erst ein enormes, euphorisierendes Hoch erfahren habe, nur um einige Stunden danach völlig unvorbereitet in ein tiefes Jammertal der Verzweiflung, in ein emotionales Loch, zu fallen.
Ich kann mich noch gut an das allererste Mal erinnern, dass so etwas bei mir vorgekommen ist. Danach habe ich erstmal alles infrage gestellt: Meine Neigungen, seine Neigungen, meinen Spielpartner und vollumfänglich mich selbst. Was insbesondere deswegen so verstörend war, da ich den vorangegangenen Abend eigentlich als rundum gelungen und äußerst schön und unproblematisch empfunden hatte.
Ich konnte das überhaupt nicht einordnen und fühlte mich richtiggehend depressiv. Meine erste Vermutung war, dass es irgendwie damit zusammenhängen müsse, dass ich wohl doch nicht ganz so sehr mit meinen Neigungen im Reinen sei, wie ich mir das eigentlich so gedacht (oder eingeredet?) hatte.
Je mehr ich mich aber in diesem Bereich selbst entdeckte, desto sicherer konnte ich diese Erklärung ausschließen.
Später waren meine Theorien u.a., dass „das eben einfach manchmal so ist, bei intensivem BDSM“, oder dass es an mangelnder, emotionaler Bindung, also nicht vorhandener Liebe, zu meinen jeweiligen Spielpartnern liegen könne. Oder an unzureichendem verbalen Austausch und Aftercare, welche ich sowieso auf gewisse Weise auch für mich brauche.
Vollkommen überrascht war ich allerdings, als ich exakt das selbe Gefühlstief in einer vollkommen anderen Situation erlebte. Und zwar nach einer Kunstausstellung, für welche ich einige Jahre intensiv gearbeitet, und in die ich sehr viel Zeit und Gedanken gesteckt hatte. Die Ausstellung selbst war für mich ein enormer Erfolg, pushte mein Künstlerinnenego und sorgte für unfassbar viel positive Resonanz.
Am nächsten Tag war ich dermaßen down, dass ich bezweifelte, jemals wieder eine Kamera auch nur anrühren zu wollen. Außerdem hasste ich mich und meine Bilder.
Ich sprach über diesen Zustand mit meinem Vater, der es gewohnt war, früher beruflich oftmals unter großem Stress zu stehen und sich dann für seine Leistungen auf einer Bühne feiern zu lassen. Er lachte und meinte, dass das völlig normal sei und vom „Druckabfall“ käme, dass er dieses Gefühl gut kenne und nach besonders großen Herausforderungen und den dementsprechenden Erfolgen, manchmal über Wochen darunter gelitten habe.
Das verschaffte mir eine völlig neue Perspektive auf mein Tief.
Allerdings waren die Umstände, die zu dieser negativen Gefühlsaufwallung führten, ja nun doch nicht unbedingt gleichzusetzen. Immerhin sind meine BDSM Sessions (so schön ich sie auch finde!) keine künstlerische Leistung – und das Publikum ist dabei wahrlich überschaubar. Überdies plane ich sie nicht von langer Hand und unter Druck setze ich mich damit auch eher weniger.
Als ich dann aber vor einiger Zeit in einem Forum vom „Top Drop“ las, und wie der plötzliche Abfall der daraus resultierenden Glückshormone Serotonin und Dopamin depressionsartige Stimmungen hervorrufen könnten, ergab alles plötzlich einen vollkommen einfachen Sinn:
Intensive Sessions überschwemmen mein Gehirn mit Glückshormonen, die mir dann aber sehr abrupt nach Beendigung des Treffens ersatzlos entzogen werden. Es folgt der Katzenjammer. Und etwas sehr ähnliches passiert nach einer erfolgreichen Ausstellung.
Seitdem ich das weiß, kann ich vollkommen anders damit umgehen. Ich achte darauf, dass ich mich selber möglichst keinen Wechseln von „100 auf 0“ mehr aussetze und dass ich mich selber auffange. Und zwar mit all den Dingen, die mir selber guttun und den Hormonrausch langsamer und abgeflachter ausklingen lassen.
Bei mir sind das Kuscheln, lange Spaziergänge, ein heißes Bad oder Saunagänge, gutes Essen oder maßvoller Sport. Und zur Not auch richtig gute Schokolade. Dann aber bitte viel davon!
Und am allerbesten funktioniert tatsächlich liebevolle, menschliche Nähe, gepaart mit dem Verständnis dafür, dass eben auch dominante Frauen mal in den Arm genommen werden möchten. Also jene Art der zwischenmenschlichen Bindung, die einen kompletten Abfall der eben noch so wunderbaren Gefühle gar nicht erst in Kauf nimmt.
Und ich denke, damit bin ich nicht alleine…!
Top Drop – der Absturz

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Sehr starker Beitrag. Ich denke der hilft vielen BDSMlern, Künstlern und allen dazwischen und außerhalb 🙂
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Oh, vielen Dank!
Es freut mich immer, wenn einer meiner Beiträge gefällt. 😊LikeLike
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Wow!!! Ein wirklich toll geschriebener Beitrag. Ich denke das Geschlecht spielt bei Drop keine Rolle, dem ist egal welchem Geschlecht Top angehört. Aber ja Aftercare ist für beide Seiten wichtig. Ähnliche nicht so heftige Abstürze hatte ich auch schon 2 x. Und zwar wenn wir irgendwo in einem Club eine Session hatten, und es für mich nicht so gelaufen ist wie ich es mir im Kopf zurecht gelegt hatte, und wenn man im club dann keine Zeit fürs Aftercare hatte. Sondern nachdem man fertig war gleich die Fläche räumen musste weil andere anstanden und gewartet haben, damit diese auch dran kommen können.
Zuhause oder aber in kleinen Runden hätten wir damit bisher noch keine Probleme. Denn wir nutzen das Aftercare( kuscheln) für uns beide gleichermaßen.
Lg Mirko
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