Erotisches Rollenspiel und BDSM – Heinrich macht`s

Ich gebe es offen zu: Ich bin ein ausgesprochen verspielter Mensch. Ich liebe es, zu spielen! In nahezu allen Lebnslagen. Und ich bin eine große Freundin des gelebten Abenteuers, wenig lockt mich mehr.
Dementsprechend ist es wohl nur logisch, dass ich schon früh das Rollenspiel für mich entdeckte, welches mich nun thematisch den Großteil meines Lebens begleitet.
Rollenspiele erotischer Natur gehören dazu und sind natürlich etwas, von dem schon fast jeder einmal gehört hat, eine Idee, die viele als spannend und aufregend bezeichnen, aber offenbar auch oft als einschüchternd oder nur schwer umsetzbar empfinden.
Ich durfte kürzlich bei einer wundervollen Party der Veranstalter „Kinky Escapes“ einen Workshop zum Thema „Einstieg ins Erotische Rollenspiel“ halten, für welchen ich mir vorab intensiv Gedanken zu den möglichen, spezifischen Schwierigkeiten im BDSM Kontext gemacht habe. Und siehe da, das Ergebnis hat mich selbst überrascht!
Tatsächlich stellt einen das Rollenspiel mit BDSM Dynamiken, vor ganz eigene Herausforderungen, mit denen man sonst eher wenig konfrontiert wird.

Bei jenem Workshop stellte ich in der Eileitung die Frage, wer der Anwesenden denn grundsätzlich bereits Erfahrungen mit Rollenspielen gemacht hätte, fest davon ausgehend, vorwiegend „Ja“ und „hier!“ zur Antwort zu bekommen. Zu meiner großen Überraschung verneinten jedoch ohne Ausnahme alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer jegliche Erfahrung mit dem Thema an sich. Paare, die gemeinsam eine recht verspielte BDSM Erotikparty besuchten, zum Teil auch konsequent und dauerhaft in D/s Beziehungen lebten, sagten mir also einhellig, sie hätten bisher in ihrem Leben keinerlei Berührungspunkte mit Rollenspielen jedwelcher Art gehabt. Ich war baff.
Zum Einen natürlich, weil wir ganz klar davon ausgehen können, dass so etwas wie „Sklave, mach dich bereit zu leiden, du nutzloses Stück!“ in nahezu jeder nur denkbaren Situation, von fast jedem Menschen, wohl als eine Art Rollenspiel wahrgenommen werden würde, oder als bedenklich nahe an einer – im besten Fall – Sittenwidrigkeit.
Und zum Anderen, weil auch jene Paare, mit an hundert Prozent grenzender Wahrscheinlichkeit schon jede Menge Rollenspielerfahrung in ihrem Leben gesammelt hatten: Beim Kaufladenspielen als kleines Kind, auf Arbeitsschulungen (z.B. zum Umgang mit schwierigen Kunden, oder im Rhetoriktraining), in der Schulzeit, beim Playmobilspielen mit den eigenen Kindern, oder gar beim Pen-and-Paper Rollenspiel mit Freunden, oder eben auch im Bett. Fakt ist: kaum einer kommt daran vorbei. Es ist uns nur nicht immer bewusst.
Die für mich spannende Eigenart dieses speziellen Publikums mit Kinkhintergrund war es nun, dass sie ihr gemeinsames Play und ihre D/s Rollen so dermaßen als festen Teil ihrer Persönlichkeiten wahrnahmen, dass sie es als problematisch, oder zumindest als schwierig empfanden, einen Einstig in das erotische Rollenspiel zu finden, wo man ja wiederum jemanden anderes, als sich selbst verkörpern sollte. Also in diesem Falle weder mein „Alltags-Ich“, noch mein „Beziehungs-Ich“.

Ich möchte nun an dieser Stelle nicht auf den kompletten Workshop eingehen, und viele essenzielle Dinge die wir dort ansprachen, wie z.B., die Sorge, man könne sich lächerlich machen, oder man sei irgendwie nicht „überzeugend genug“, sind nicht kinkspezifisch, sondern einfach nur menschlich.
Sehr besonders und ungewöhnlich ist hingegen die Problematik, dass ein Paar zwar gerne Rollenspiele in das eigene, erotische Repertoire aufnehmen möchte, aber sich untereinander so sehr in den eigenen Rollen (dominant oder devot, aktiv oder passiv) gefestigt sieht, dass das Annehmen anderer Rollen kaum noch möglich scheint, ohne das Beziehungskonstrukt zu gefährden. Aus unterschiedlichen Gründen.
Als eine der größten Schwierigkeiten – neben dem „Switchen“ in oder aus einer Machtposition – wurden mir Situationen genannt, in welchen man an Grenzen oder Tabus käme, das Spiel aber dennoch nicht unterbrechen wolle, um den Anderen nicht zu enttäuschen, oder zu frustrieren. Die Sorge ging sowohl von dominanten, als auch von devoten TeilnehmerInnen aus.

Ich konnte die Problematik gut verstehen: Zum Beispiel ein Paar, welches nun ein Rollenspiel, wie etwa eine „Entführung“, oder einen „Arztbesuch“ spielt, kommt womöglich recht bald innerhalb des Spiels an Grenzen, die sie sonst im Alltag gar nicht besprechen mussten, BDSM hin oder her. Und wie kann also der Entführte, oder der hilflose Patient, seiner Mitspielerin und Partnerin klar machen, dass ihn eine bestimmte Situition überfordert, oder gar seine persönlichen Grenzen sprengen würde, ohne ein Safeword zu benutzen, welches zumindest den Spielflow doch drastisch ausbremsen, wenn nicht gar komplett abwürgen würde?
Ich habe dafür eine Technik vorgeschlagen, die ich „Heinrich macht´s“ genannt habe.
Sie ist sehr einfach, komplett individuell anpassbar und funktioniert zuverlässig. Und zwar so:

Die Rollenspielenden einigen sich vorab natürlich auf ihr Szenario und auf ihre Rollen. Sinnvoll ist womöglich auch mindestens eine kleine Absprache, was man während des gemeinsamen Spiels gerne erleben würde und was eher nicht. Und dann brauchen sie nur noch einen „Heinrich“. Heinrich kann letztendlich Alles sein, im Endeffekt ist er aber nur eines: Ein einfacher Ausweg.
Ich erkläre das am besten an einem Beispiel:
Die grausame Schlossherrin befieht ihrem hilflosen Gefangenen während des gemeinsamen Rollenspiels, er müsse die Sohlen ihrer dreckigen Reitstiefel sauberlecken. Dies ekelt ihn jedoch so, dass es tatsächlich grenzüberschreitend für ihn wäre. Da er in seiner Rolle ja schlecht „nein“ sagen kann, aber das Spiel weder unterbrechen, noch beenden möchte, sagt er nun einfach: „Sehr gerne, Mylady. Jedoch… ist das nicht für gewöhnlich Heinrichs Aufgabe?“
Die Schlossherrin weiß nun, dass sie da mit ihrem Befehl an ein No-Go kommt und kann umlenken, ohne aus der Rolle zu fallen.Selbstverständlich will sie dem armen Heinrich nicht seinen einzigen Job nehmen, also findet sie etwas anderes, um ihren Gefangenen zu demütigen und zu quälen. Das Spiel geht weiter.
Genauso könnte man beim Arztspiel oder Verhör vorab besprechen, „die Akten“ als einen „Heinrich“ nutzen, so dass der Patient zwar im Ernstfall dem behandelnden Arzt natürlich nicht widerspricht, wenn dieser die Elektroschocktherapie am besten Stück empfiehlt, sondern ihn lediglich vorsorglich daran erinnert, dass doch „in den Akten steht, er vertrage keine Elektroschocks“. Also findet der Arzt eine alternative Behandlungsmethode, ohne dass irgendwer aus den Rollen fallen müsste.
Sagt der Patient einfach nur jammernd, dass er wirklich, wirklich keine Elektroschocktherapie möchte, muss der gute Doktor sich keinerlei Gedanken machen, sondern kann getrost schon mal die Zwangsjacke aus dem Schrank holen. Er weiß ja, was das Beste für seinen Patienten ist – und der Spieler dahinter weiß, dass sein Mitspieler wohl keine ernsthaften Probleme mit dem nun Folgenden hat.

Ich hoffe, ich konnte hier klar darstellen, dass ich den „Heinrich macht´s!“ nicht als Safeword in einer BDSM Session, oder im D/s Miteinander verstanden haben möchte. Sondern als eine reine Rollenspieltechnik, die uns dabei helfen kann, Spielabbrüche auf einfache Weise zu vermeiden und den Spielenden eine gewisse Sicherheit im Umgang miteinander geben soll.
Denn nichts ist unschöner, als das Gefühl zu haben, ein wunderschönes, sexy Spiel mit einem Notfall-Stop zerstörten zu müssen, um die eigenen Grenzen zu wahren. Oder gar die Tabus eines Anderen unwissentlich überschreiten zu können.
Lasst es lieber „Heinrich machen“ und spielt unbekümmert und selbstsicher weiter.

Oder habt ihr vielleicht ganz andere Techniken und Methoden, um euer persönliches, kinky Rollenspiel spannend und trotzdem sicher zu gestalten?

Antworten

  1. Avatar von Lupa

    „Heinrich macht’s“ finde ich eine super Idee!

    Gefällt 2 Personen

    1. Avatar von Commandress

      Danke, sie ist auch inzwischen mehrfach auf die Probe gestellt und für tauglich befunden worden.
      Ich würde mich natürlich sehr über dein persönliches Feedback freuen, falls du „Heinrich“ mal selber ausprobierst. 🙂

      Gefällt 1 Person

  2. Avatar von Unser Rollenspiel geht weiter! – Die Commandress und ihr Eigentum

    […] Mehr Infos zum generellen Thema „erotisches Rollenspiel“ findet ihr in diesem Beitrag. […]

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