Spielbuch Der Optimierung – Sektor Bad Neuenahr Ahrweiler

Hier geht es um ein Rollenspiel, welches das Eigentum und ich auf Distanz spielen. Es entwickelt sich quasi „on the go“ und dient unserer beider Freude und der Befriedigung unseres großen Spieltriebes. Mehr nicht.

Das Szenario:

Die Weltordnung ist gefallen. In den Ruinen der alten Demokratien herrscht nun das Kollektiv – eine technokratische Instanz, die das Überleben durch strikte Ordnung sichert. In ihrer Vision gibt es keine Individualität, keinen Widerstand, kein unnützes Denken – nur Funktion. Die Menschheit wurde neu eingeteilt: in Kontrollorgane, Ausführende und Eigentum.

Sektor Bad Neuenahr Ahrweiler liegt an der westlichen Peripherie des Kollektiv-Gebiets. Die Umgebung ist instabil, der Wiederaufbau schleppend, Ressourcen sind begrenzt. Inmitten dieser Zone leitet die Commandress die Umerziehungseinheit 7 – eine von wenigen autorisierten Instanzen zur Reformation widerspenstiger Subjekte.

Das Eigentum – ein männlich identifiziertes Subjekt mit niedrigem Autonomiegrad – wurde ihr zugeteilt. Ziel ist die vollständige Umformung zu einem folgsamen, nützlichen Wesen. Kein Wille, keine Zweifel, keine Diskussion. Nur Gehorsam, Tüchtigkeit, Stille. Das Eigentum wird auf seine Rolle im kommenden apokalyptischen Überlebenskampf vorbereitet: als Werkzeug, als Dienender, als Schatten im Dienst der Commandress.

Spielregeln:

* Alle Befehle der Commandress sind exakt zu befolgen. Eine Nachfrage gilt als Regelbruch.


* Das Eigentum hat sich vor Beginn ein günstiges, kleines Notizbuch zu besorgen.


* Der Fortschritt wird durch die Commandress bewertet. Punktesystem: 1–10 pro Tag.


* Das Eigentum führt ein tägliches Protokoll im Notizbuch. Abweichungen müssen begründet werden.

Das Eigentum bekommt jeden Tag neue Aufgaben, neue Befehle und Verbote, welche ihm dabei helfen sollen, ein wertvolles Subjekt des Großen Kollektivs zu werden. Er hat diese mit vollkommener Hingabe, Demut und dem größten Eifer zu erfüllen und zu verrichten.


* Praktische Aufgaben sind zu dokumentieren (Foto, Video, Bericht o.ä. …).


* Die Regeln können jederzeit von der Commandress erweitert, geändert oder gestrichen werden.


* Das Eigentum hat jeden Tag die Spielzeit mit „Das Eigentum meldet sich zur Optimierung, Commandress!“ einzuleiten. Und mit „Melde gehorsamst: die heutige Optimierungseinheit wurde abgeschlossen, Commandress!“ als seinerseits erledigt zu melden. Beendet wird die tägliche Spielzeit dann mit dem Befehl „Abtreten!‘ der Commandress.

Der Spielverlauf:

Hier erfahrt ihr von nun ab regelmäßig, wie sich unser Spiel entwickelt – und wie sich das Eigentum in diesem präapokalyptischen Zeiten schlägt.

Tag 1

Die Reintegration

Folgende Kommunikation erreichte das Eigentum, kurz nachdem er sich ordnungsgemäß zum Dienst meldete:

Befehl: Das Eigentum beginnt seine Umformung.

Es hat rückblickend zu benennen, was es einst als Freiheit empfand – und was es heute bereit ist, zu opfern. Es notiert fünf Sätze über seinen früheren Eigenwillen und fünf über seine künftige Unterordnung in sein Heft.

Aufgabe: Finde und fotografiere die Dokumentationsstätte Regierungsbunker. Keine Online-Dienste erlaubt. Zeichne eine rudimentäre Karte vom einem Wahrzeichen, einer wichtigen Kreuzung oder eines Landschaftsmerkmals dorthin.

Zusatz: Kleidung ausschließlich in Schwarz, Grau oder Dunkelgrün. Falls dies nicht von ihm möglich gemacht wird, legt er sich je sofort bis zur Erledigung seiner Aufgaben einen Stein, nicht kleiner als eine herkömmliche Blaubeere, in beide Schuhe.
Das Subjekt soll sich bewusst werden, welche Stellung es im Kollektiv innehat.

Baustellenauftrag: Erkunde ein Flussufer nach Baumaterialresten. Notiere brauchbare Funde und dokumentiere mit mindestens drei Fotos.

Demutselement:
Wissen ist Macht. Aber das richtige Wissen kann auch demütig machen.
Du wirst dir heute  halterlose Nylonstrümpfe besorgen und diese unter der Kleidung tragen. Nur so darfst du die Bücherei betreten.
Du wirst wissen, was andere nicht wissen. Und dazu schweigen.

Du bist mein Subjekt. Mein Optimierungsprojekt.
Voller Vertrauen, Hingabe und widerstandsloser Demut wirst du gehorchen.
Du hast nichts, du besitzt nichts.
Du bist gehorsamer Besitz.
Mache dir dies vollkommen bewusst, bevor du dich bereit für diese letzte Aufgabe meldest.

Verbot: Kein Internetzugang während des gesamten Tages, auch nicht für Navigation oder Recherche.
Ausnahmen hierzu bilden nur arbeitsrelevante Aufgaben und Kommunikationsapps, solange diese nicht genutzt werden, um die gegebenen Befehle zu erfüllen oder zu erleichtern.

Tag 1 aus Sicht des Subjekts:

Tag eins ist nun mehr oder weniger erfolgreich hinter mich gebracht. Die Aufregung auf der 4 ½ stündigen Anfahrt war mal wieder eine große für mich. Menschen in meinem Umfeld wissen, wie nervös ich werde. Angekommen im Sektor 7, nahm ich mir noch etwas Zeit bis zu meinem Antritt, diese versüßte ich mir mit einem Kaffee und etwas zu Essen, bevor der Ernst der Lage auf mich zukommen würde. Als dies nun verzehrt war, nahm ich all meinen Mut zusammen und tippte den alles verändernden Satz: „Das Eigentum meldet sich zur Optimierung, Commandress!“

Nun war es zu spät, die Nachricht war abgeschickt, die zwei blauen Häkchen waren ein paar Minuten danach dahinter, nun gab es kein Zurück mehr.

Die Nachricht,die mich ereilte, habt ihr ja oben schon lesen können. Bei ihrem Eintreffen schnellte mein Herzschlag ungemein in die Höhe. Die Aufregung stieg immer weiter an. Ich musste mich erst einmal sammeln, ich habe sie immer wieder gelesen, bestimmt vier – fünf mal hintereinander. Bis ich alles so deuten konnte, wie es von mir verlangt wurde.

Immer wieder sortierte ich diese Befehle und Aufgaben, den Beweis der schwarzen Kleidung brachte ich direkt nach Erreichen der Nachricht, welche mir wegen des Schriftzuges deutliche Minuspunkte einbrachte. Dies wurde mir aber erst am Abend bewusst.

Als nächster Punkt stand die Baustellen-Aufgabe an, bei dieser musste ich drastisch überlegen, wo mir noch Trümmer am Ufer der Ahr einfielen, zu dem es ja brauchbares Material sein sollte. Aber auch da hatte ich drei Abschnitte im Kopf, wo ich fündig wurde. Diese Aufgabe wurde dann ebenfalls abgehakt, Details wurden wie alles andere in meinem Heft notiert, mit Standort, Zugänglichkeit und Größe, die Fotos wurden dabei an die Commandress weitergeleitet.

Weiter im Text war die Aufgabe die Dokumentationsstätte des Regierungsbunkers zu finden, aber ohne Navi, ohne Internet. Glücklicherweise bin ich hier schon einige Male an dem Schild vorbei gefahren, brauchte hier nicht viel zu recherchieren, der Standort war mir bewusst. Nun musste ich dort aber noch hin, zusätzlich eine Karte zeichnen, die den Weg beschreibt, dorthin zu kommen. Auch diese Zeichnung hatte in dem Notizbuch zu erfolgen.

Eins kann man sehr gut erkennen: Künstler werde ich in diesem Leben nicht mehr! Aber immerhin hat mir meine Mühe mir volle Punktzahl eingeholt für diese Aufgabe.

Der „Befehl“ war meinerseits leider nicht richtig ausgeführt, so musste die Commandress korrigieren, zu meinem Glück bekam ich noch eine zweite Chance, etwas Schadensbegrenzung zu betreiben. Nachdem ich die Sätze der künftigen Unterordnung erneut schreiben durfte, blieben mir immer noch 5 der 10 Punkte erhalten. Da bedanke ich mich außerordentlich für die Gnade, die mir die Commandress an dieser Stelle zukommen lassen hat.

Alles in allem habe ich an Tag Eins der Umerziehung 31 von möglichen 40 Punkten erreicht. Es ist noch kein Ergebnis, worauf man stolz sein kann, aber gänzlich versagt habe ich es scheinbar auch nicht. Nun werde ich mich erholen, um morgen in Tag Zwei der Umerziehung zu starten.



Tag 2

Die Versorgungspflicht

Heute meldete sich das Eigentum schon um kurz nach 8 Uhr morgens zum Dienst. Dies könnte ihm zum Verhängnis werden.

Folgende Befehle erreichten ihn:

Befehl: Die Commandress duldet keine Hilflosigkeit. Das Eigentum hat selbstständig Konzepte zur Versorgung im Ernstfall zu entwickeln. Es soll dabei seine Begrenztheit erkennen – und im Dienst zur Stärke werden.

Aufgabe: Liste zehn sehr haltbare Lebensmittel, bewerte sie auf Nährwert, Lagerbarkeit, Volumen.

Praktisch: Bereite aus Zutaten deiner Auflistung eine Mahlzeit zu. Diese wird dein Abendessen sein.

Baustellenauftrag: Finde mögliche, improvisierte Lager- oder Kühlflächen auf einer Baustelle. Dokumentiere.

Verbot: Du wirst keinerlei Snacks neben den Hauptmahlzeiten zu dir nehmen. Zucker ist dir heute komplett verboten, in Essen so wie Getränken. Außerdem stehen dir von nun ab noch exakt fünf Zigaretten zu.

Demutselement: Erledige alle (nicht arbeits- oder sicherheitsbezogenen) Aufgaben heute mit nur einer Hand. Die andere ist zu binden oder stillzulegen.

Wie wird er sich schlagen? Das Kollektiv beobachtet das Subjekt gespannt bei seinem vorhersehbaren Scheitern!

Tag 2 aus Sicht des Subjekts:

Tag 2
Der zweite Tag in der Umerziehung des Eigentums begann kurz nach 8 Uhr. Vor dem Antritt – den ich glücklicherweise selbst beeinflusse – gönnte ich mir noch einen Kaffee und zwei Zigaretten. Dann nahm ich wieder allen Mut zusammen und tippte den Satz, der erneut alles verändern würde.
Kurz nach dem Absenden erhielt ich auch schon den heutigen Auftrag mit den Befehlen. Was genau das war, seht ihr ja oben.
Beim Lesen des Textes wurde mir mulmig. Noch gestern war ich im Telefonat während der Outtime bei Standgas – heute jedoch konnte davon keine Rede mehr sein. Die Aufgaben forderten mich deutlich mehr, beschäftigten mich den ganzen Tag über. Ich versuchte, in kleinen Etappen eine Aufgabe nach der anderen und Befehl für Befehl abzuarbeiten. Meine Mittagspause verbrachte ich damit, Lebensmittel nach ihren Nährstoffen zu sortieren – dabei jedoch darauf achtend, dass sie gut und lange haltbar oder konserviert sind.
Nicht zu vergessen: All das geschah einarmig. Mein linker Arm war mit Handschellen am Türgriff fixiert, um gar nicht erst auf die Idee zu kommen, ihn zu benutzen. Das Notizbuch fiel ständig von der Armlehne des Autos. Ich mühte mich wirklich ab. Doch zu jeder Zeit war mein Ehrgeiz geweckt – ich wollte der Commandress gefallen und mich um meine Punkte bemühen.
Als dann die Nachricht der Commandress kam, dass mein Gekrakel unleserlich sei und ich, wenn ich mir nicht mehr Mühe gäbe, den Duden künftig mit Wachsmalstiften abschreiben dürfe, riss ich mich erneut zusammen. Ich erkannte wieder, dass Schnelligkeit nicht das Ziel ist. Kurzzeitig war ich echt niedergeschlagen. Ich hätte gerne geraucht, doch die Zigarettenanzahl war auf fünf am Tag begrenzt. Mein Glück war es, dass die Commandress die E-Dampfe nicht ausgeschlossen hatte – was ich natürlich schnell nutzte, um mich abzulenken. Ich werde das in den kommenden Tagen sicher noch zu spüren bekommen.
Über den Tag verteilt löste ich also immer wieder Aufgaben, recherchierte, was ich zum Abendessen zubereiten könnte. Es musste ja zu der Aufgabe mit den haltbaren Lebensmitteln passen. Wer mich kennt, weiß: Abwaschen und Aufräumen kann ich – aber Kochen liegt mir nicht. Also fragte ich kurzerhand ChatGPT, was ich aus den vorhandenen Zutaten zubereiten könnte. Auf der Liste des Möglichen standen: Nudeln, Tomatenstücke (Konserve), Honig, Salz, weiße Bohnen. Nun könnt ihr euch denken, was es gab.
Nachdem der Plan feststand, ging ich einkaufen. Doch einen Einkaufswagen mit nur einer Hand zu schieben oder die EC-Karte aus dem Portemonnaie zu bekommen – das sind die kleinen Herausforderungen, die mich heute unter Druck setzten. Ich sah dabei wohl ziemlich seltsam aus: fuchtelte mit einer Hand herum, während die andere reglos neben mir hing. Nachdem ich der Commandress den Beweis meines Einkaufs übermittelt hatte, kam prompt die Antwort: „Ahhh, Tomatensauce. Habe ich dir schon gesagt, dass es heute kein Besteck für dich gibt?“
Ich antwortete: „Nein, das haben Sie nicht erwähnt – aber ich habe es verstanden, Commandress.“
Dazu sollte ich dann den verbliebenen Arm an das Tischbein fesseln. Eine kleine Maßnahme mit großer Wirkung im richtigen Moment.
In der Ferienwohnung angekommen – passend zum Feierabend – fixierte ich meine Hand wieder am Gürtel. Ich wollte auf keinen Fall versagen. Und dass mir diese Einschränkung gefällt, versteht sich wohl von selbst.
Nun bereitete ich einhändig das Essen zu, genau wie die KI Commandress es beschrieben hatte. Ich kochte Nudeln, öffnete Konservendosen – alles einhändig, wohlgemerkt. Mein Hunger auf dieses Essen war eher gering, doch genau das brachte mich in das Mindset, das ich mir so sehr wünsche.
Nach dem Zubereiten des Essens deckte ich den Tisch, arbeitete weiter an meinen Aufgaben, rauchte zwischendurch meine letzte halbe Zigarette – und begab mich dann zum Essen. Ich dokumentierte das Mahl, fesselte meine Hand an das Stuhlbein und begann mit der anderen Hand zu essen. Währenddessen erreichte mich eine Nachricht der Commandress über den Browser:
„Weitermachen. Ich gehe nun in eine Besprechung mit einer anderen Lagerleiterin. Bin also nicht erreichbar. Eventuell sehen wir dir aber auch mal beim Essen zu.“
Ich konnte die Nachricht nicht beantworten oder wegklicken. Sie blieb minutenlang vor meinen Augen, während ich aß – meine Finger schmutzig, die andere Hand fixiert – gefangen in dem Gedanken, jetzt gerade beobachtet zu werden, ohne zu wissen, von wem.
Mit dieser Aktion waren meine Aufgaben für heute erfüllt. Nach einem letzten Kontrollblick sagte ich den Schlusssatz und wartete auf eine Rückmeldung der Commandress.
Vielen Dank an meine bezaubernde und großartige Commandress, die so wunderbare Dinge mit mir tut. Ich bin ihr unendlich dankbar!

Der Punktestand heute beträgt 44/60 Punkten.



Tag 3

Archiv der Stille

Das Subjekt war vom gestrigen Tag noch ganz aufgekratzt und konnte es heute kaum erwarten, sich zum heutigen Dienstantritt bereit zu melden.

Hier die Nachricht, die ihn daraufhin erreichte:


Befehl:
Wissen ist Waffe – und Waffen stehen unter Aufsicht der Commandress. Das Eigentum wird entsandt, um Spuren des alten Denkens zu sichten und kontrolliert zu verinnerlichen. Es hat zu lernen, ohne zu hinterfragen, zu lesen, ohne zu deuten.

Aufgabe:
Betritt die Stadtbücherei Bad Neuenahr-Ahrweiler. Suche ein Buch mit folgenden Kriterien:
Es darf kein Roman sein.
Es muss sich mit Überleben, Handwerk oder Ordnung beschäftigen.
Es muss mindestens 15 Jahre alt sein.
Notiere Titel, Autor, Erscheinungsjahr. Dann:
Lies zehn Seiten dort, im Stehen, schweigend.

Schreibe drei Sätze aus dem Buch in dein Notizbuch, die du für wahr hältst – ohne Kontext, ohne Interpretation.

Praktische Pflicht:
Suche in deiner Wohnung einen Gegenstand, der in direkter Verbindung zum Gelesenen steht – sei es thematisch, symbolisch oder funktional (z. B. Seil, Zange, Karte, Vorratsbehälter).
Platziere diesen Gegenstand an einem ungewöhnlichen Ort – z. B. im Kleiderschrank, im Bett oder im Badezimmer – als versteckten Erinnerungsanker.
Halte ihn dort für mindestens drei Tage. Erinnere dich bei jedem Blickkontakt daran: Wissen ist Last. Und Pflicht.

Baustellenauftrag:
Beobachte eine Baustelle. Notiere zwei Aspekte, die mit „Wissen“ im erweiterten Sinn zu tun haben (z. B. Planzeichnungen, Ausschilderung, Lärmschutz). Was schützt hier wen?

Verbot:
Du sollst heute nichts lesen, was dir nicht aufgetragen wurde: keine Chats, keine Texte, keine News –  nicht einmal die Uhr. Ausnahmen hierzu sind die Kommunikation mit der Commandress und dein Notizheft.
(Und natürlich Arbeitsrelevantes oder Dinge, die dein Kind betreffen)
Dies wird dir helfen, deinen Geist aufs Wesentliche zu fokussieren und Worte anders wertzuschätzen.

Tag 3 aus Sicht des Subjekts:

Nun ist bereits Tag drei, doch die Aufregung am Morgen lässt kein bisschen nach. Heute bin ich kurz nach sechs Uhr wach geworden und konnte nicht mehr einschlafen – eigentlich ist das für einen Morgenmuffel wie mich noch mitten in der Nacht. Die Aufregung ließ mich nicht los. In meinem Kopf kreisten unaufhörlich Gedanken: Was ist das Motto des Tages? Welche Aufgaben und Befehle werden mich erreichen? Beim ersten Kaffee, bei der ersten Zigarette – überall begleiteten mich diese Fragen.

Die Commandress war noch nicht wach, und ich wollte den Tag nicht starten, ohne vorher kurz mit ihr kommuniziert zu haben. Also wartete ich. Um 8:41 Uhr leitete ich das Subjekt wie jeden Morgen mit demselben Satz ein.

Als mich dann der Befehl erreichte, blieb mir – wie an den Morgenden zuvor – kurz die Luft weg. Ich musste mich erst sammeln, las und las den Befehl immer wieder. Es brauchte etwas Zeit, um alles zu verinnerlichen. Ich sah mich schon bis spät in die Nacht in der Bibliothek – doch dazu später mehr.

Zuerst begann ich mit dem Kauf der halterlosen Strümpfe – im DM gefunden, eingepackt, Sonnenbrille tief ins Gesicht gezogen und schnell zur Kasse. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie peinlich mir das war. Die Kasse war gerammelt voll, und ich mit einem Paket Strümpfe auf dem Band. Nach dem Bezahlen rannte ich förmlich aus dem Laden, sprang ins Auto und übermittelte der Commandress den erfolgreichen Abschluss mit einem Foto des Päckchens samt Kaufbeleg. Der schlimmste Teil des Tages war also erledigt.

Über den Tag verteilt hatte ich viel Arbeit, deshalb konnte ich mich nur gelegentlich den Aufgaben widmen. Dennoch vergaß ich sie nicht. Ich arbeitete Stück für Stück an der „Baustellen“-Aufgabe und gab mir große Mühe, nur das zu lesen, was mir erlaubt war. Leider ertappte ich mich gelegentlich dabei, doch Werbebanner oder Straßennamen gelesen zu haben. Das brachte mir später nur die Hälfte der Punkte ein.

Da ich heute ein Leseverbot hatte, konnte ich auch nicht auf Joy oder Instagram reagieren – nicht einmal meinem Nachbarn antworten, der mich darauf hinwies, dass ich das Badezimmerlicht angelassen hatte. Am Nachmittag schickte mir die Commandress einen Screenshot all der Benachrichtigungen, die ich auf Joy erhalten hatte, mit dem Kommentar: „Schade, dass du das nicht lesen kannst.“ Die Neugier und das Gefühl von Ungerechtigkeit machten mich in diesem Moment sehr unruhig – genau der Punkt, an dem ich sein soll. Dort spüre ich, wo mein Platz ist.

Zum Feierabend zog ich mich für die Dokumentation und das Umstyling in meine neuen halterlosen Strümpfe in die Ferienwohnung zurück. Schon mit den Strümpfen an schrieb ich die Auflistung der „Baustellen“-Aufgabe fertig. Dann begann der aufregende Teil des Tages: Ich fuhr zur Stadtbibliothek, um meine Aufgabe zu erfüllen. Eine freundliche Angestellte zeigte mir einige Bücher zum Thema Schmieden – mein heutiger Schwerpunkt. Ich wählte eines von zwei Exemplaren aus.

Ich dokumentierte alle notwendigen Angaben: Autor, Buchtitel und Erscheinungsjahr. Die Fotodokumentation sammelte ich zunächst. Dann stellte ich mich wieder hin, öffnete das Buch und las die Seiten 67 bis 85 – leise, schweigend und mit voller Konzentration. Aufgrund der zahlreichen Abbildungen zu verschiedenen Verbindungsarten beim Schmieden las ich ein wenig weiter. Ich merkte mir interessante und wichtige Sätze – drei davon sollte ich später auswählen.

Ich setzte mich also erneut, schrieb die drei Sätze so schön, wie es mir nur möglich war, trotz meiner Nervosität. Zwischendurch schickte ich der Commandress noch ein Bild, auf dem auch die Strümpfe zu erkennen waren. Nachdem auch das erledigt war, schloss ich das Buch, stellte es zurück und verließ die Bibliothek.

Mit einem guten Gefühl und erfolgreich kehrte ich in die Ferienwohnung zurück. Dort legte ich ein Messer auf meinen Nachttisch, um auch die letzte Aufgabe abzuschließen. Dieses Messer steht im Zeichen der Schmiedekunst – früher wurden sie mühsam von Hand geschmiedet. Auch dieser Punkt wurde dokumentiert und mit Fotobeweis übermittelt.

Damit war die heutige Optimierungseinheit abgeschlossen.

Wie jeden Abend gab es eine Zusammenfassung – zunächst von meiner Seite, in der ich meine Stärken und Schwächen erläuterte, und abschließend die Bewertung durch die Commandress.

In meiner Selbsteinschätzung räumte ich offen ein, wie schwer es mir gefallen war, nicht zu lesen. Es ist ein Automatismus – doch heute war es mir nicht erlaubt. Daher konnte ich diese Aufgabe nicht vollständig zufriedenstellend erfüllen.

Das heutige Ergebnis: leider nur 42 von 60 Punkten.

Zehn Punkte habe ich verschenkt, weil ich den Befehl der Commandress hinterfragt habe – ich war unsicher, ob ich für diesen spezifischen Teil etwas tun sollte. Ich musste es nicht, aber da war es zu spät. Die Frustration war mir wohl deutlich anzusehen. Die Commandress amüsierte dieser Fehltritt offenbar sehr.



Tag 4

Anpassung durch Handwerk

Heute fiel es dem Subjekt besonders schwer, sich zur Optimierungseinheit bereit zu  melden. Aber Pflichtbewusstsein und Neugierde siegten letztendlich doch.

Hier die Befehle der Commandress:

Befehl und Aufgabe: Wer dienen will, muss gestalten können. Die Commandress erwartet ein funktionales Objekt, gebaut mit den Händen des Eigentums – ohne Maschinen, ohne Komfort, nur durch Willen und einfache Mittel.
Baue ein einfaches Objekt aus Holz (z. B. Hocker, Halter, Rahmen). Kein Strom erlaubt.
Du musst Stolz auf dein Ergebnis verspüren können, alles andere ist ungenügend.

Planungsaufgabe: Erstelle in deinem Heft eine Anleitung zum Bau eines Hühnerstalls aus kostenlosen Ressourcen. Hühner werden uns in der kritischen Phase mit Proteinen versorgen.

Baustellenauftrag: Suche eine Baustelle, an der derzeit nicht gearbeitet wird.
Beobachte 5 Minuten schweigend. Notiere in dein Heft:

Drei Materialien, die der Zeit ausgesetzt sind.
Zwei Geräusche und zwei Gerüche, die mit der Baustelle verbunden sind.
Eine Fläche, die niemand gerade beachtet.


Schreibe mit deinem Finger deinen Wunsch nach Optimierung in den Staub und dokumentiere dies.

Verbot: Kein Sitzen oder Liegen auf Kissen oder Polstermöbeln – nur harte Unterlagen erlaubt.
Auch der Autositz ist nur für berufliche Fahrten erlaubt.

Demutselement: Absolute Stille. Kein Wort, kein Laut, kein Geräusch während der Optimierungsarbeit.

Tag 4 aus Sicht des Subjekts:


Der heutige Tag war wieder einmal atemberaubend. Am Morgen begann alles erneut mit der altbekannten Nervosität. Es wird von Tag zu Tag schlimmer – heute Morgen bekam ich richtig Herzrasen, als ich die Nachricht an die Commandress schickte.

Demütig wartete ich vor dem Rechner, doch es dauerte eine Weile, bis die Reaktion der Commandress kam. Ich kann euch sagen: Das waren harte 20 Minuten voller Nervosität und Aufregung.
Ich hockte also da, las den Befehl – und ab einem bestimmten Punkt sprang ich plötzlich von meinem Stuhl auf: KEINE POLSTERMÖBEL!
Sofort kniete ich mich vor den Tisch. So, wie es sich für ein Subjekt gehört.

Etwas ärgerlich war, dass ich zu diesem Zeitpunkt auch arbeiten musste und deswegen fahren musste – für diese Aufgabe war das nicht ideal, sonst hätte ich diesen Punkt viel intensiver auskosten können.
Ich las weiter – diesmal verstand ich alles schnell. Mein Ehrgeiz war geweckt, also machte ich mich auf in Richtung Baustellen.

Alle Punkte, Aufgaben und Befehle verinnerlicht, suchte ich nun gezielt nach Orten, an denen ich die jeweiligen Aufgaben ausführen konnte. Tatsächlich dauerte es heute jedoch eine Weile, bis ich mit der Planung des improvisierten Hühnerstalls beginnen konnte. Ich suchte mir ein nettes Plätzchen mit einer Bank (ohne Polster!) und legte los. Im Kopf hatte ich alles bereits ausgeschmückt.

Nach dieser Aufgabe kann ich mich nun auch beim schwedischen Möbelhaus als Möbelplaner bewerben! Ich fertigte eine detaillierte Beschreibung mit diversen Skizzen an. Am Ende gab es sogar ein finales Bild mit einem Huhn darin – was meiner Commandress den Tag offenbar erheblich versüßte, wie sie mir in unserem Abendgespräch verriet.

Die Aufgabe erledigt, gönnte ich mir eine Mittagspause mit Grillwürsten.
Danach zog ich los in die andere Richtung des Ahrtals. In Schuld wurde ich nach einigem Suchen fündig – es ist gar nicht so einfach, eine stillstehende Baustelle zu finden, wenn man nicht gerade auf der Autobahn unterwegs ist.
Ich nahm mir fünf Minuten Zeit und lauschte dem Treiben auf der Baustelle:
Ein alter Baukran, eine verrostete Estrich- und Putzmaschine, aus der bereits Pflanzen sprossen – das waren meine Objekte der Begierde. Ich notierte all meine Erkenntnisse, Geräusche und Gerüche sowie die drei Materialien, die der Zeit ausgeliefert waren.
Damit war auch diese Aufgabe erledigt. Ich konnte mich nun der wohl herausforderndsten Aufgabe widmen.

Ich suchte also eine brachliegende Fläche. Ich entschied mich für einen von der Flut zerstörten Sportplatz. Dieser war zwischenzeitlich als Lagerplatz genutzt worden. Dort befanden sich Steine, Schotter und Holz. Auf eine Fläche die bedeckt war mit Schotter, ging ich nun geradewegs zu – dies sollte der Ort meiner Wunschoffenbarung werden: Mein ehrliches, offizielles Bekenntnis, dass ich diese Optimierung will und brauche.
Doch der Boden war von der derzeitigen Trockenphase so hart wie Beton – ich konnte nicht einmal einen Buchstaben hineinschreiben. Ich versuchte es an mehreren Stellen, aber nichts funktionierte.
Dann entdeckte ich eine Fläche mit Splitt – ideal zum Bemalen! Ich probierte es aus, und es klappte.
So begann ich nun, dieses Kunstwerk der Demütigung weiter und weiter zu schmücken – mein Verlangen nach Optimierung auszudrücken.
Ich schrieb mit meinen Fingern im Dreck:


Für Commandress
„Mein Wunsch ist es, optimiert zu werden.“


Ich nahm währenddessen ein kurzes Video auf, auf dem zu sehen war, wie ich dort schrieb. Ich dokumentierte alles und schickte es direkt an die Commandress, so wie mir befohlen war.
Beim Erkunden des Platzes fing ich an, Holz zu sammeln. Nebenan befand sich ein alter Geräteschuppen des Sportplatzes, völlig verwüstet und voller Müll. Kurzzeitig wurde er meine Werkstatt.
Ich sammelte das Holz, das ich fand, brach die Äste auf die gewünschte Länge, holte mein Messer und die Zange aus dem Kofferraum – und meine Geheimwaffe: ein Verpackungsband aus faserigem Material, das sich gut in viele kleine Fäden teilen ließ. Ich hatte es bereits am Vormittag gefunden, bei der Dokumentation des Hühnerstalls. Es lag zufällig auf meinem Weg, den ich ging – ich steckte es ein, in der Hoffnung, es könne nützlich sein.
Und siehe da – es rettete mir den Hintern!

Ich arbeitete mit meinen drei Materialien: Holzäste, alte Schüppenstiele und das Verpackungsband. Die Schüppenstiele dienten als Gerüst für meinen Stuhl. Ich band und knüpfte alles Stück für Stück zusammen. Der Anfang war schwer – zehn Hände wären hilfreich gewesen.
Doch am Ende stand ein zwar wackeliger, aber durchaus stabiler Stuhl, der mich für mehr als nur eine Fotosession hielt. Ich rauchte sogar eine Erfolgszigarette darauf.

Nach Abschluss dieser Aufgabe machte ich Bilder – auch diese Aufgabe war nun geschafft.
Ich packte meine Sachen und begab mich in mein „Subjekt-Outdoor-Büro“. Es gab noch einiges zu dokumentieren, doch diesmal war keine Bank mit Tisch in Sicht. Also musste eine Palette als Unterlage herhalten.
Ich schrieb alles in mein Büchlein, ging alle Punkte noch einmal durch – und stellte mit einem traurigen Blick fest, dass alle so schönen Aufgaben bereits erledigt waren.

Ich meldete mich bei der Commandress und schrieb:
„Melde gehorsamst: Die heutige Optimierungseinheit wurde abgeschlossen, Commandress.“
Damit kündigte ich die Vollendung meiner Aufgaben an.
Sie prüfte mich, fragte mich, wie zufrieden ich mit meiner Leistung bin und ob ich stolz auf mein Werk sei. Ich antwortete ihr offen mit meinen Gedanken und meiner persönlichen Einschätzung.
Dann kam ihre Bewertung – und was soll ich sagen:
Sie machte mich noch stolzer.
Mit 44 von 50 Punkten bin ich doch sehr gut dabei!



Die Zwangspause

Da das Subjekt sich gestern als besonders schwer erziehbar erwiesen hat, wurde ihm die heutige Optimierungseinheit verwehrt.

Er hat stattdessen in seiner Zelle zu verweilen, über seine Fehlerhaftigkeit nachzudenken und Besserung zu geloben, auf dass die Commandress sich hoffentlich als gnädig erweisen möge und seine Umerziehung am Montag fortsetzt.

Falls nicht, muss er eben doch in die Wiederverwertung verlegt, oder ins Wasteland geschickt werden, samt seinem krakeligen Notizbüchlein!



Tag 5

Prüfung durch Versagen

Nach einem langen, gemeinsamen Wochenende voller schöner Erlebnisse und Gefühle, wird das Subjekt nun an seiner empfindlichsten Stelle gepackt: seinem Ehrgeiz.

Hier sind seine Tagesbefehle:

Motto: „Nicht der Fehler ist das Problem – sondern, wie du ihn trägst.“

Die Commandress hat entschieden, dass das Eigentum heute Aufgaben erhält, welche ihn auf ganz besondere Weise fordern sollen. Sie erwartet von ihm keine Erfüllung – sie erwartet Haltung. Wer scheitert und zerbricht, war nie geeignet. Wer scheitert und sich aufrichtet, wird brauchbar.

Befehl:
Finde und fotografiere ein Fenster, das in zwei Himmelsrichtungen zugleich blickt.
Danach beweise schriftlich, dass du existierst – ohne dich selbst zu erwähnen.
Nutze dabei KEINE „Ich“-Aussagen. Du darfst nur indirekte Hinweise, Spuren oder Metaphern verwenden.

Verbot:

das Subjekt hat Haltung zu wahren und jegliche Form des Selbstmitleides zu unterlassen. Lautes, so wie auch innerliches Jammern, Fluchen und Schimpfen sind zu unterlassen. Ebenso ist das Wort „gut“ am heutigen Tag verboten. In Worten, schriftlich, so wie in Gedanken.
Es wird all seine Handlungen mit stoischer Gelassenheit und Pflichttreue ausführen.

Zusatzhandlung:
Verbringe im Anschluss 33 Minuten an einem Ort deiner Wahl – sitzend, schweigend, unbewegt.
Trage dabei dein Notizbuch offen vor dir, ohne es zu benutzen.

Demutsritual:
Kauf einen billigen, roten Lippenstift. Trage ihn auf. Warte eine Minute. Wische ihn danach fast, aber nicht vollständig von deinen Lippen.
So wirst du deine Baustellenaufgabe lösen. Und so wirst du bleiben bis zu dich abmeldest.

Baustellenaufgabe:
Suche eine sichtbare Baustelle, die öffentlich zugänglich, aber durch Zäune oder Markierungen begrenzt ist.
Versuche, ohne Hilfsmittel (kein Maßband, kein Lineal, kein digitales Gerät) die Breite und Länge eines Gebäudeteils oder abgegrenzten Bereichs zu schätzen.
Trage die geschätzte Zahl in dein Notizbuch ein – präzise bis auf den Zentimeter!
Danach überprüfst du (mit Google Maps, Schrittmaß, oder vor Ort), wie weit du danebenlagst.
Notiere nicht die Korrektur. Notiere nur: „Ich habe geschätzt. Ich habe gefehlt. Ich habe verstanden.“

Reflexion:
Am Abend schreibe folgenden Satz in dein Notizbuch – aber lasse ihn unvollständig:
> „Ich habe versagt, und darum…“

Tag 5 aus Sicht des Subjekts:


Tag fünf der Optimierung ist vollendet. Die Aufgaben und Befehle waren heute – für einen Anreisetag – durchaus sehr herausfordernd. Hinzu kam, dass mir seit Beginn das Fluchen untersagt wurde. Nun ja, und wenn man viel Auto fahren muss, fällt das alles andere als leicht. Aber gut: Wie befohlen, so gefolgt. Ich nahm mich diesbezüglich sehr zurück.
Der erste Befehl war, ein Fenster zu finden, das den Blick in zwei verschiedene Himmelsrichtungen ermöglicht. Mir fiel direkt ein Haus ein, das eine tolle Über-Eck-Verglasung besaß. Als ich jedoch dort vorbeifuhr, war alles von Arbeitern abgehangen worden und nicht mehr sichtbar. Ein kurzes, tiefes Durchatmen half mir, mich nicht aufzuregen. Also musste ein neuer Plan her – den ich allerdings noch nicht hatte. Eher zufällig fielen mir dann am Einkaufsmarkt Fenster auf, die in einem Dreieck nach vorn montiert waren. Ich ließ mich nicht lange bitten, dokumentierte dies und übersandte es der Commandress.
Zu diesem Zeitpunkt war ich noch guter Dinge, alle Punkte mit Bravour zu bestehen – aber es sollte heute zur Zerreißprobe kommen. Nur eben ohne zu fluchen.
Nachmittags hatte ich eine Online-Schulung, weshalb alles andere zunächst pausieren musste. Ich machte mir Gedanken über den zweiten Punkt des Befehls: eine Umschreibung meiner selbst, ohne zu verraten, dass ich gemeint bin. Das fiel mir tatsächlich ziemlich schwer – und das spiegelte sich leider auch in der Bewertung wider.
Kurz darauf rannte ich in den Penny-Markt. Ich hatte noch eine Besorgung zu machen. Mit gutem Gefühl betrat ich den Laden – auf der Suche nach einem roten Lippenstift. Aber nein – nicht erhältlich. Der erste Rückschlag für diese Aufgabe. Ich musste also überlegen, wohin ich nun fahre. Jede weitere Einkaufsmöglichkeit war etwa 15 Kilometer entfernt. Also machte ich mich auf in das beschauliche Adenau. Dort gab es mehrere Geschäfte.
Mein nächstes Ziel war ein Edeka. Auch diesen durchlief ich, ohne fündig zu werden. Es fiel mir immer schwerer, ruhig zu bleiben und meine Laune zu zügeln. Doch ich atmete tief durch. Als Nächstes steuerte ich den Rewe an – der müsste doch nun endlich den Lippenstift haben! Ich durchforstete die Regale – nichts. Erst auf dem Weg zur Kasse entdeckte ich einen kleinen Aussteller von Maybelline New York. Und tatsächlich – mein so sehnlich gesuchter roter Lippenstift war dabei!
Großes Aufatmen.
Schnell zur Kasse, Sonnenbrille gecheckt, bezahlt. Doch dann kam ein süffisantes Kommentar der Kassiererin, als ich nach dem Kassenbon fragte:
„Das dachte ich mir schon.“
Ich wäre am liebsten im Erdboden versunken, lächelte nur verlegen – und verschwand.
Das Foto meiner neuen Errungenschaft sandte ich direkt an die Commandress. Damit war diese Aufgabe erfüllt.
Doch es war bereits 17 Uhr. Die Zeit wurde knapp. Ich machte mich auf zur stillen Phase. Dafür suchte ich mir ein ruhiges Plätzchen bei der Nürburg. Von hier hatte man eine wunderbare Aussicht. Die Motorengeräusche des Nürburgrings summten im Hintergrund, die Wolken schufen ein wunderschönes Ambiente – perfekt für diese ruhige, sehr entspannte Aufgabe.
Ich setzte mich auf eine Bank, schoss noch ein Selfie für die Commandress – und dann begann die Zeit.
Schnell noch das Notizbuch aufgeschlagen – und ich lauschte dem, was um mich herum geschah.
Es waren lange und kalte 33 Minuten, aber es war schön. Immer wieder blendete mich die Sonne, dann ließ mich der Wind wieder zittern. Ich genoss es sehr, so für die Commandress zu verweilen.
Nach Ablauf der Zeit schickte ich erneut ein Foto an die Commandress – mit der Nachricht:
„Erledigt.“
Nun stand die schwierigste Aufgabe bevor – und ich hatte mich schon den ganzen Tag davor gedrückt.
Aber gut:
Lippenstift aufgetragen, Foto an die Commandress gesendet – und nun galt es zu warten. 60 Sekunden, bis ich ihn leicht verblassen durfte.
Doch da kam die Commandress mir zuvor:
„Ach, wie schön. Das bleibt so.“
Widerworte? Nicht gestattet.
Ich antwortete schlicht:
„Danke, Commandress. Sehr gerne.“
Nun musste ich allerdings noch geschminkt meine Baustellen-Aufgabe erledigen.
Ich fuhr nach Ahrbrück – mir war dort eine Baustelle bekannt, an der eine von der Flut beschädigte Kirche abgerissen worden war. Nur der Turm war noch erhalten. Perfekt, dachte ich – kurze Wege zum Auto.
Den Turm fotografiert, geschätzt, zurück ins Auto – und meine Dokumentation finalisiert.
Ich schrieb alle Beobachtungen in mein Heft, auch die Reflexion – als unvollständigen Satz. Dieser steht nun in meinem Buch – ohne Vollendung.
Für diese Aufgabe gab es null Punkte. Es waren nie Punkte vorgesehen. Es ging lediglich darum, mich an mein Dasein zu erinnern. Und nicht wütend zu werden.
Doch auch das brachte mich nicht mehr aus der Fassung.
Nach etwas Reflexion und der Bewertung durfte ich dann in mein vorübergehendes Ich zurückkehren – und der Befehl zum Abtreten wurde ausgesprochen.
Der heutige Punktestand ist 48 Punkte von 70 erreicht.



Tag 6

Nadelgehorsam

Leider muss die Commandress dem Kollektiv  gestehen, bei der gestrigen Überprüfung der Optimierungsergebnisse einen gefählichen Lapsus des Subjekts übersehen zu haben:

Trotz größter Sorgfalt wurde erst im Nachgang, während der technischen Revision aller Überwachungsmedien auffällig, dass das Subjekt sich tatsächlich per WhatsApp bei einer Freundin über die angebliche „Unlösbarkeit“ seiner Aufgaben beschwerte. Demzufolge wird heute eine externe Gesandte der Optimierungsüberwachung (Sektor Mannheim)  hinzugezogen, welche die Prüfung und Punktevergabe mit verschärfter Wachsamkeit übernimmt.

Hier die heutigen Aufgaben und Befehle:

Befehl:

Feinarbeit schärft die Unterwerfung. Die Commandress ordnet eine textile Pflicht an. Der Akt des Nähens dient der Geduld, der Schriftzug der Einprägung.
Jeder Stich ist ein Schwur!
Besorge dir ein Stück Stoff, welches dich nichts kosten darf. Außerdem benötigst du eine Nadel, einen dunklen Faden und mindestens zwei Knöpfe.

Aufgabe:

Nähe aus dem Stoff einen einfachen Beutel. Sticke darauf: „Für die Commandress“.
Nähe am Oberen Rand zwei Knöpfe an – und am gegenüber liegenden Rand umsäumst du zwei dazu passende Knopflöcher.
Mache während dieser Arbeit mindestens ein Video von dir.
Fotografiere im Anschluss das Ergebnis. Die Überprüferin fordert folgende Nachweise: Eine fotografische Aufnahme der Komplettansicht vom Beutel, eine Aufnahme von der linken Seite (also dem Innenleben) und Nahaufnahmen von den Nähten, so wie der Knöpfe.

Lokale Aufgabe:

Lege einen persönlichen Gegenstand in den Beutel, schließe ihn und deponiere ihn diskret unter oder auf einer steinernen Brücke. Dokumentiere!

Verbot:

Kein Blickkontakt oder Gespräch mit Fremden während der Außeneinsätze.

Demutselement:

Da du gestern versagt hast, wirst während deiner heutigen Aufgaben ununterbrochen deine Unterhose mit den Spike Rädchen tragen. Und dich erneut in stoischer Gelassenheit üben. Kein Fluchen, kein Jammern. Weder innerlich, noch äußerlich.

Tag 6 aus Sicht des Subjekts:

Tag 6 der Umerziehung – es war hart
Dass Tag sechs hart werden würde, hatte ich erwartet – aber so? Das war für mich komplettes Neuland. Dagegen waren alle anderen Tage nichts.
Der Tag begann wie immer mit meiner Morgenroutine: Kaffee, Kippe, und dann im Laufe des Morgens das Antreten zur Optimierung. Der heutige Antritt erfolgte um 7:44 Uhr.
Ich musste wegen eines Termins früher los, deshalb habe ich den Antritt etwas nach vorne verlegt. Kurz darauf folgte natürlich der heutige Befehl. Beim Lesen dachte ich: „Okay, das klingt ja einfach – eine angenehme Abendbeschäftigung.“
Nun ja – falsch gedacht.
Um 14:00 Uhr schlüpfte ich auf einem Parkplatz schnell in das geforderte Outfit. Alle meine Aufgaben sind aktuell mit der Spike-Unterhose zu erledigen – als Konsequenz meines Fehlverhaltens gestern. Ab diesem Punkt war das Sitzen ausgesprochen unangenehm.
Nach Erledigung und Dokumentation (natürlich an die Commandress) begann ich mit dem Einkauf der nötigen Utensilien. Wenigstens war es heute nichts Peinliches, weswegen ich an der Kasse stand. Die Sonnenbrille durfte heute also gepflegt wegbleiben.
Nachdem ich Nadel, Faden, Knöpfe und einen Spannrahmen zum Sticken besorgt hatte, bezahlte ich und machte mich auf den Weg in meine Unterkunft.
Dort wartete bereits das geforderte Stück Stoff, welches nichts kosten durfte. Ich opferte eines meiner Polohemden für diese Aufgabe. Alles hing nun davon ab, dass dieser Stoffbeutel fertig wurde.
Ich fing also an, schnitt das Hemd zuerst auseinander, in handlichere Stücke. Dann begann ich mit dem Schriftzug. Anfangs habe ich noch sauber und dick gestickt – das „Für die“ ist schön fett und ordentlich ausgearbeitet. Aber ich merkte schnell, wie mir die Zeit davonlief. Dieser Zeitdruck setzte mich enorm unter Stress, und ich kam an einen Punkt, an dem ich beinahe verzweifelte. Ich durfte weder fluchen noch mich aufregen.
Doch ab einem gewissen Punkt konnte ich es nicht mehr zurückhalten. Es lief nicht, wie es sollte, nicht wie ich es mir vorgestellt hatte.
Als ich den Schriftzug schließlich fertiggestellt hatte, kippte meine Laune komplett. Ich war unzufrieden – mit mir, mit meiner Leistung. Dieses Gefühl bereits zu Beginn der Aufgabe zu spüren, war schwer zu ertragen. Ich war drauf und dran, aufzugeben, warf das entstehende Beutelchen durch den Raum. Ich brauchte eine Pause. Ich ging eine rauchen, machte mir einen Kaffee. Diese Pause dauerte ein paar Minuten.
Ich kämpfte mich dann Stück für Stück weiter – auch wenn ich innerlich längst launisch und unkonzentriert war.
Ich kämpfte gegen den Frust an, zwang mich immer wieder zurück an die Aufgabe. In kleinen Schritten gelang es mir schließlich – nach fünfeinhalb Stunden, das Beutelchen fertigzustellen.
Mein Hintern brannte. Ich konnte kaum noch sitzen. Aber es fiel eine riesige Last von mir ab, als ich mich endlich bereit machen konnte, um die auswärtige Aufgabe zu erledigen.
Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie anstrengend und schlimm das für mich war.
Als ich mich schließlich auf den Weg nach Schuld machte, legte ich den Beutel ab. Sein Inhalt: meine so geliebte Schiebermütze. Mal sehen, was nun mit ihr geschehen wird. Es bleibt spannend.
Um 20:39 Uhr meldete ich dann gehorsamst: Die heutige Optimierung ist abgeschlossen.
Es war wild. Mir fiel so viel Last von den Schultern, als ich diese Zeilen schreiben konnte.
Der Umstand, dass die heutige Bewertung nicht allein von der Commandress vorgenommen wird, ließ meinen Stresspegel zusätzlich ansteigen.
Nun habe ich mich inzwischen wieder deutlich beruhigt – und konnte diese Zeilen verfassen.

Der heutige Tag war turbulent und aufreibend.

Die Punkte für den heutigen Tag ergaben 21 von 40 möglichen Punkten.



Realitätsflucht

Für die Commandress und das Eigentum steht nun ein langes Wochenende an, während welchem sie die Aopkalypse verdrängen und gemeinsam Kräfte für den fulminanten letzten, siebten Tag und Höhepunkt dieses Spiels sammeln werden.

Gönnen wir ihnen also eine Auszeit, ganz ohne Punkte und drohenden Weltuntergang.



Tag 7

Die Tilgung

Der siebte und somit vorerst letzte Tag der Optimierungs- und Umerziehungswiche für das Subjekt mit niedrigem Autonomiegrad ist angebrochen. Die Commandress musste feststellen, dass es dem Subjekt ganz offenbar noch immer ausgesprochen schwer fällt, sein Ego in den Hinter-, und den Dienst am Kollektiv in den Vordergrund zu stellen. Um  diesen Misstand zu berichtigen, fordert sie heute die Löschung und Tilgung des Subjektcharakters.

Hier ist ihre heutige Kommunikation mit ihm, zwischen jeder Aufgabe folgte seine Rückmeldung und erst dann bekam er den nächsten Befehl:

„Am Ende ist nichts. Und doch bleibt etwas von dir zurück.“

Die Commandress hat deine Woche geprüft. Sie verlangt von dir keine weitere Tat, sondern dass du dich löschst. Doch auch die Löschung ist ein Befehl, der sichtbar gemacht werden muss. Was von dir bleibt, entscheidet sie.
Heute wird das Subjekt seine Aufgaben Stück für Stück bekommen, eine nach der anderen. Du wirst sie erfüllen, dich gehorsam melden und auf deine nächsten Befehle warten.

Verbot:
Heute hat das Subjekt auf alle Ablenkungen zu verzichten. Es soll sich vollkommen auf seine Löschung konzentrieren. Es wird also keinerlei Unterhaltungsmedien nutzen, sich keinen Trost durch Leckereien suchen, keine oberflächlichen Gespräche führen. Es darf nichts essen, was einmal einen Herzschlag hatte, und nichts trinken außer klarem Wasser.

Deine erste Aufgabe, das Nullzeichen:

Das Eigentum erstellt aus natürlichen Materialien (z. B. Steine, Äste, Sand, Wasser) ein „Nullzeichen“: ein Kreis, eine Leere, ein durchbrochener Rahmen, ein Spiegel, ein Schattenriss.
Ein Symbol seines Seins.

Dieses Nullzeichen wird an einem stillen Ort angelegt, dokumentiert und anschließend verlassen.
Es soll für niemanden Sinn ergeben – außer für die Commandress.

Deine zweite Aufgabe, die umfassende Reflexion:

Das Subjekt nimmt eine kniende Haltung ein und schreibt in seiner besten Schönschrift folgendes in sein Heft:

  • Drei Dinge, die er vor seiner Optimierung war.
  • Drei Dinge, die er nach seiner Optimierung nicht mehr sein wird.
  • Drei Dinge, die ihn während der Optimierung Schmerzen (körperliche oder seelische) zugefügt haben.
  • Drei Dinge, die ihm während der Optimierung Glück haben verspüren lassen.
  • Drei Dinge, die ihm schwer gefallen sind.
  • Drei Dinge, die ihm leicht gefallen sind.
  • Drei Eigenschaften, die ihm zu einem geeigneten Subjekt und Sklaven machen.
  • Drei Eigenschaften, an welchen er noch arbeiten muss.
  • Einen Wunsch, den er an sich selber richtet.
  • Einen Wunsch, den er an die Commandress richtet.

Das Subjekt darf währen dieser Aufgabe seine kniende Position nicht verlassen. Sollte er sich verschreiben, etwas durchstreichen oder von der Aufgabenstellung abweichen, hat er aufzustehen, sich förmlich zu entschuldigen und von vorne zu beginnen. Seine Fehlversuche bleiben dabei unverändert in seinem Heft, als Mahnmal seines Scheiterns.

Die handwerkliche Aufgabe:
Das Subjekt wird aus gefundenem Holz und/oder Baumaterial das Symbol Alpha (für den Beginn) und das Symbol Omega (für das Ende) herstellen. Geschnitzt, gebastelt, gebogen, eingeritzt – wie auch immer. Die Symbole müssen gut und deutlich erkennbar sein und am Ende als zwei eigenständige, bewegbare Objekte vorliegen.
Solbald das Subjekt seine Symbole fertig gestellt hat, sind sie zu dokumentieren und zu vereinen, z.B. durch ein Übereinanderstellen, Aneinanderbinden oder ähnliches. Dies wird erneut dokumentiert.

Der Anfang und das Ende wurden zusammengefügt. Dein nächster Befehl lautet:
Vernichte dieses Konstrukt nun so, dass du es für endgültig zerstört und absolut unwiederbringlich vernichtet hältst.

Deine nächster Befehl lautet:

Zähle alle Punkt, die du in den letzten 6 Tagen während deiner Optimierung erreichen konntest, sorgfältig zusammen. Tue das selbe mit allen möglichen Punkten, die du hättest erreichen können.
Verzähle dich nicht, verrechne dich nicht, beschönige nichts. Nur Zahlen. Reine Fakten.
Schreibe nun die beiden Ergebnisse groß und deutlich auf die nächsten zwei sich gegenüberliegenden Seiten in deinem Heft, gefolgt von den Sätzen: „Ich habe während meiner Optimierungswoche ( ) von ( ) möglichen Punkten erreicht. Ich bin ein Nichts. Mein Streben ist Nichts. Mein Wollen ist Nichts. Mein Ehrgeiz ist Nichts.
Ich werde optimiert. Mein Streben dient der Commandress. Mein Wollen ist ihr Wille. Mein Ehrgeiz liegt allein in meiner Auflösung.“

Es wird dir womöglich nicht leicht fallen, meinen folgenden Befehl auszuführen. Besinne dich dabei auf dein Training der letzten Tage:

Kein Ego, kein Hinterfragen, kein Klagen, kein Fluchen.

Dann wird das Subjekt sich nun sammeln und die gesamte Woche seiner Umerziehung noch einmal im Geiste Revue passieren lassen. Mit allen Höhen und Tiefen, Erfolgen und Misserfolgen.
Dies wird es für mindestens 20 Minuten in einer demütigen und regungslosen Pose tun.
Diese Reflexion geht seiner letzten Aufgabe voran und leitet diese in der richtigen Geisteshaltung ein.

Befehl:

Das Eigentum hat sein Notizbuch der Optimierung symbolisch zu vernichten.
Dafür soll er eine Paste aus der Erde und dem Wasser des Ahrtals herstellen, mit welchem er jede einzelne, beschriebene Seite seines Notizbuches durchgängig und gründlich beschmiert.
Der Stolz muss überwunden werden, die Nichtigkeit akzeptiert. Das Subjekt wird getilgt.
Dies muss mit absoluter Ruhe und Ernsthaftigkeit erfolgen – ohne Musik, ohne künstliches Licht, ohne Ablenkung.
Dokumentiert wird nichts – außer einem einzigen Foto, das aus Versehen wirken muss: verwackelt, angeschnitten, leer.
Dies ist die letzte Aufgabe der angestrebten Subjektoptimierungseinheit.

Tag 7 deiner Optimierungseinheit neigt sich nun dem Ende zu, Subjekt.
Dich erwartet nur noch deine Beurteilungsverkündung…

Tag 7 aus Sicht des Subjekts:

Tag Sieben – Das Finale
Der siebte Tag stand unter einem anderen Stern. Er hatte damit zu tun, dass das Subjekt sein altes Ich vergisst und lernt, loszulassen.
Anders als an den Tagen zuvor kamen die Aufgaben heute zeitversetzt. Erst nachdem eine Aufgabe abgeschlossen und als erledigt gemeldet wurde, folgte die nächste.
Ein schwieriges Unterfangen für mich, meinen Tag zu planen.
Beim heutigen Antritt war ich – wie so oft – sehr aufgeregt. Gerade die Pause der letzten Tage ließ meine Vorfreude stark ansteigen.
Nachdem die Commandress mir den Anfangsbefehl erteilt und alle ablenkenden Apps und Medien verboten hatte – was mir durchaus sehr schwerfällt –, stieg ich ins Auto. Zack – die Musik fing laut an zu spielen. Fast panisch drehte ich den Regler, um sie auszuschalten. Bei jedem Neustart dasselbe: hektisches Ausschalten der Beschallung im KFZ.
Des Weiteren war mir als Getränk nur noch klares Wasser erlaubt. Da war ich froh, dass ich zuvor meine Kaffees getrunken hatte – sonst wäre es mir deutlich schwerer gefallen.
Am späten Vormittag, während meiner Pause, kümmerte ich mich um meine erste Aufgabe des Tages: einen Steinkreis, symbolisch als Null.
Dafür suchte ich mir in Altenahr eine schöne, ruhige Stelle an der Ahr, genoss den Sonnenschein und führte den Befehl aus.
Meine ersten Gedanken waren, diesen Kreis im Wasser zu bauen, um dann das Spiegelbild zu zerbrechen – und damit mich selbst. Leider klappte das wegen der Strömung nicht wie gewünscht. Also füllte ich den Kreis mit kleinen, runden und eckigen Steinchen, um das zersplitterte „Ich“ zu symbolisieren. Es war wirklich schön dort unten am Bach. Ich hätte ewig weiterbauen können. Doch leider rief auch der Alltag – und die Pflicht.
Nach Vollendung dieser Aufgabe übermittelte ich der Commandress mit Bild den erfolgreichen Abschluss des ersten Befehls.
Kurz darauf folgte schon der nächste. Dieser war aufwendig und nicht unbedingt in der Öffentlichkeit auszuführen – zumindest nicht, ohne Fragen aufzuwerfen.
Ich suchte mir also ein stilles Plätzchen. Ewig weit fuhr ich den Feldweg hinunter, bis ich an einer geeigneten Stelle ankam.
Ich funktionierte mein Handy zur Überwachungskamera um, sodass die Commandress mich beobachten konnte – was sie wohl auch tat, wie ich später heraushören durfte.
So kniete ich also vor meinem Kofferraum. Aus Pappe und einem Kindersitz baute ich mir einen Tisch, an dem es sich gut schreiben ließ. Ich hatte mir bereits Notizen gemacht, um diese Aufgabe besser und sorgfältiger zu lösen. Glücklicherweise musste ich nicht von vorn anfangen. Ich erkannte keine größeren Fehler und musste nicht unterbrechen.
Die Aufregung bei den letzten Zeilen artete förmlich aus – ich konnte kaum noch schreiben, aus Angst, etwas falsch zu machen. Der Gedanke, immer wieder von vorn anfangen zu müssen, motivierte mich enorm, sorgfältig zu arbeiten.
Nachdem ich alle zehn Punkte beantwortet hatte, schickte ich erneut den Beweis an die Commandress.
Sie nahm es zur Kenntnis – und feuerte mir direkt die nächste Aufgabe um die Ohren.
So langsam bekam ich Hunger und überlegte, was ich zu Abend essen sollte – falls mein Abtreten nach der Mahlzeit erfolgen würde.
Ich machte mir einen Plan: Angemessen und passend zum Verbot erschien Haferschleim mit Hafermilch als perfekte Lösung.
Dazu ein paar Bananen – fertig war mein Gericht. Vegane Müsliriegel halfen mir über den Tag hinweg.
Nach ein paar Stunden Arbeit begab ich mich wieder an meine Aufgaben. Schließlich schien der Tag noch lange nicht vorbei zu sein.
Auf der Suche nach Baumaterialien für die nächste Aufgabe stolperte ich über ein Stück Kupferkabel an einem verlassenen Lagerplatz. Es war etwa einen Meter lang und wurde offensichtlich nicht mehr benötigt. Ich packte es eifrig ein. Auch einen Rest einer Rolle Panzertape konnte ich sichern – beides würde mir sicher hilfreich sein.
Wieder einmal an einem ruhigen Fleckchen, begann ich mit der nächsten Aufgabe: das Alpha- und das Omega-Zeichen aus den einzelnen Adern des Kabels zu formen. Mit dem Kupfer ließ sich gut arbeiten.
Nachdem ich auch diese Formen fertiggestellt hatte, dokumentierte ich sie und übermittelte sie der Commandress.
Dann sollten die beiden Symbole zusammengelegt und erneut dokumentiert werden.
Als ich meldete, dass ich damit fertig sei, kam die Anweisung, genau das soeben Erstellte restlos zu zerstören.
Meine Mittel waren begrenzt: ein Cuttermesser und eine Pumpenzange – beides keine idealen Werkzeuge zum Zerlegen.
Doch es gelang. Ich riss das Werk auseinander, bog die Drähte so oft, bis sie brachen. Vor mir lag nun ein Haufen 5–7 cm langer Drahtstücke.
Auch diesen Fortschritt dokumentierte ich.
An anderen Tagen hätte mich diese Aufgabe wohl an den Rand der Frustration gebracht – heute jedoch war ich gesittet und gefestigt. Ich weiß, wo mein Platz ist.
Die nächste Anweisung: Ich sollte alles entsorgen – unwiderruflich.
Mit einem Video dokumentierte ich auch diesen Schritt.
Die Spannung stieg. Der Tag war fast zu Ende. Ich dachte schon, das war es – aber was dann noch kam, damit hatte ich nicht gerechnet.
Ich sollte alle Punkte zusammenzählen, die ich verdienen konnte, und sie notieren. Dazu gab es einige Zeilen über meinen Platz, ebenfalls zur Notiz im Büchlein.
Ich schrieb auch diesen Auftrag als erledigt an meine Commandress und machte mich auf den Weg in die Unterkunft in Ahrweiler.
Dort angekommen, erreichte mich die Nachricht, dass ich mich nun auf das Finale vorbereiten solle.
Ich sollte mich melden, sobald ich mich in der richtigen Verfassung befand.
Nach einer kurzen Pause in der Unterkunft meldete ich mich bereit. Ich schrieb der Commandress, dass das Subjekt bereit sei.
Wenige Sekunden später kam der Auftrag: 20 Minuten Ruhe, in demütiger Pose – ohne Bewegung, ohne Ablenkung. Ich sollte mich ausschließlich auf die letzten sechs Tage konzentrieren, sie Revue passieren lassen – das Gute, das Schlechte, die Optimierung.
Ich dachte sehr viel nach. Oft schweiften meine Gedanken zu der morgendlichen Routine: Kaffee trinken, dann antreten. Diese Spannung. Diese Vorfreude. Dann das augenrollende Gesicht: „Echt jetzt?“
Oder die Hektik, wenn ich eine Aufgabe nicht direkt lösen konnte… So viele Gedanken. So viele schöne Momente. Das Sitzen auf dem wackeligen, selbstgebauten Stuhl. Die dreckigen Hände, nachdem ich in den Boden gemalt hatte. So viele tolle und spannende Erlebnisse – und eben auch gestresste Phasen, wie an Tag sechs.
Ich war innerlich am Kochen, als ich der Commandress das Video der Überwachungskamera zeigte – als ich in der Unterkunft ausrastete. Da fing sie leicht an zu schmunzeln.
Doch nun weiter im Text:
Nach den 20 Minuten meldete ich mich wieder bei der Commandress und teilte ihr mit, dass ich fertig sei.
Nicht lange danach kam die Antwort mit der finalen Aufgabe dieser Optimierung – und zur Löschung meines Ichs.
Ein schwerer Schritt. Die Anweisung war klar, aber ich zögerte.
Ich zögerte so lange, dass ich stattdessen lieber meine Abendmahlzeit zu mir nahm – Haferschleim –, anstatt das zu tun, was verlangt war. Trotz der Vorwarnung der Commandress.
Die Zeit verstrich. Ich musste nun los – meine letzte Aufgabe in dieser Optimierungseinheit ausführen.
Ich suchte mir ein stilles Eckchen am Fuße der Ahr in Bad Neuenahr. Dort lag ein Kiesbett, das in der Sonne idyllisch schien – ein geeigneter Ort für das Finale.
Meine Arbeit der letzten sieben Tage sollte gelöscht werden.
Ich bereitete einen Mix aus Erde und Wasser in einer mitgebrachten Schale zu. Dann begann ich, Seite für Seite mein Büchlein mit dieser Matschpampe zu beschmieren.
Es fühlte sich fies an. So viel Arbeit. So viele Stunden der letzten Tage – zerstört.
Ich übermittelte das eine gewünschte Foto an die Commandress und machte weiter.
Ich genoss die Ruhe. Dennoch fiel es mir schwer, diese Erinnerung zu vernichten.

Das war Tag 7.
Anders als alle anderen. Aufreibend ohne Ende.
Ich habe viel gelernt, gespürt, geflucht. Das Ende dieser Einheit sehe ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge.
Tausend Dank geht an die wundervolle und bezaubernde Commandress!
Was sie in den letzten Tagen auf die Beine gestellt hat, ist ein wahrer Traum.
Ich kann nicht in Worte fassen, wie viel Freude und Erfüllung mir das alles gebracht hat.
Danke, danke, danke!
Ebenfalls ein großes Dankeschön an die unbekannte Frau Sektorleiterin aus Mannheim. Ich bin gespannt, Sie bald persönlich kennenzulernen.